Wohin der Wind mich trägt


Petra Wagner (41) hat ihren Job geschmissen und geht auf Weltreise – ohne große Pläne und Ziele.

Unterwegs mit Dr. Dolittle!

Achtung: Es geht chronologisch mit Indonesien weiter.

Ich war noch immer in Indonesien unterwegs, genauer gesagt in Sulawesi. Mit Lara, der Schweizerin, hatte ich mich auf den Weg zu den Togian Islands gemacht. Das ist eine Inselgruppe auf der Höhe von Sulawesi, weitgehend vom Massentourismus verschont.

Als wir nach drei Tagen endlich dort angekommen waren, wusste ich auch warum. Die Anreise war mühsam, langwierig und unplanbar. Die Straßen in Sulawesi erinnerten an die abenteuerlichsten Strecken Indiens, eine Fahrt über Bäche, Schlammrinnen und Steinbrocken. Die Busfahrt ging über zwei Tage, gefolgt von einer Bootsfahrt. Sechs Stunden saßen wir auf dem Holzboden eines Fischkutters bevor wir die ersten Insel der Togians betreten durften. Kadidiri Island war enttäuschend. Nach dieser Anreise hatten wir anderes erwartet, keinen zwischen Palmen eingequetschten Strand, kein abgewirtschaftetes Resort, wie Kadidiri Paradise eines war, kein Plastikflaschen im Wasser. Vielleicht waren wir auch nur verwöhnt nach unseren vorherigen Stops. Ich machte zwei Tauchgänge mit Gonzague, dem netten Divemaster des Resorts und dann organisierten wir ein Boot zur Nachbarinsel, Kalupat. Dort gefiel es uns schon besser. Der Strand war breiter, das Wasser blauer, die Korallen bunter, der Sand pudriger und das Essen der Hit. Doch es gab einen Nachteil, Franzosen. Das einzige dort vorhandene Hotel Fadillah Resort war von zehn Franzosen besetzt, die gar nicht daran dachten ihre Landessprache zu wechseln. Neben Lara und mir gab es noch einen Deutschen. Mein Schulfranzösisch ließ mich zwar einen Großteil der Unterhaltung verstehen, aber es reichte nicht aus für eine aktive Teilnahme am Gespräch ohne das Gesprächstempo zum Erliegen zu bringen. Lara wechselte als mehrsprachig aufgewachsene Schweizerin schnell zur französischen Fraktion über und ich sympathisierte mit meinem einzigen anderen möglichen Gesprächspartner, dem Deutschen. Markus war Meeresbiologe, lebte seit 12 Jahren in Norwegen und plante in einer Stunde auf eine noch abgelegenere Insel, namens Malenge, zu reisen. In unserer ersten Unterhaltung auf der Hotelterrasse lernte ich den Unterschied zwischen Knorpel- und Knochenfisch kennen, hörte erstmals von der Hydraulikbewegung der Seesterne und staunte über die Historie der Chordatiere. Ein Meeresbiologe auf Togian Islands. Konnte man einen idealeren Reisepartner haben? Spontan beschloß ich die Fronten zu wechseln und von der Schweizer Fraktion zur Norwegischen überzuwechseln. Kurz, ich überließ die Franzosen und die über diesen plötzlichen Gesinnungswechsel verwunderte Lara ihrem Schicksal auf Katupat und begleitete Markus. In einer Hauruck-Aktion packte ich meine Sachen und erreichte den alten Dampfer, der einmal wöchentlich diese Strecke zurücklegte gerade noch rechtzeitig. Malenge Beach lag nahe am Urwald,
konnte nur per Boot erreicht werden, hatte keine Touristen außer uns beiden und wird mir durch folgende kleine Anekdote immer im Gedächtnis bleiben. Am ersten Morgen unseres Aufenthalts erzählte uns Rudy, der indonesische Hotelbetreiber “This night a boa ate a goat.” Das hörte ich mit großer Aufmerksamkeit, waren doch die Bungalows, in denen wir wohnten komplett offen. Auf meine Frage, wie, wann und wo, meinte Rudy nur “don’t worry it was not here, it was in the forrest behind the house.” Für mich war das keine Beruhigung, begann doch der Urwald, von dem er sprach direkt hinter unseren Hütten. Doch, was tun? Ich glaubte meinem Meeresbiologen und neuem Berater Markus, der mir versicherte, ich wäre als Snack für eine Boa eindeutig zu groß. Hätte eine Boa die freie Wahl zwischen mir und einer Ziege, so würde sie letztere bevorzugen. Trotzdem kontrollierte ich ab sofort mehrmals nachts per Taschenlampe meine Hütte. Dieser vom Tourismus verschont gebliebene Ort musste ein Paradies für einen Biologen sein. Es war unglaublich, wieviele Tiere ich plötzlich mit einem Biologen an meiner Seite wahrnahm. Markus war sehr enthusiastisch und stand nie still. Er kroch in jede Höhle, pulte an Baum und Borke, suchte unter Steinen nach Käfer, Spinnen, Krabben und sonstigem Getier.
Er verließ die Hütte nie ohne Fernglas und Lupe um auch im unerwartetesten Moment einen Vogel oder ein Insekt inspizieren zu können. Er war nie müde eine Lehrstunde über Meeresbiologie zu erteilen, die ich dankbar und interessiert annahm. Faul in meiner Hängematte liegend
hatte ich oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich ihn so aktiv rumwuseln sah, kam aber entweder darüber hinweg oder schloß mich seinen Erkundungstouren an. Was er als Spaziergang titulierte, war ein Watten durch Sumpf und Seegras, ich in Flip Flops. Die kleine Wanderung zur Höhle der “flying fox” war ein Dschungeltrek. Es ging steil bergauf und bergab, ich schlitterte mehr als daß ich ging und nahm unfreiwillig mehrere Schlammbäder, weil es zuvor geregnet hatte. Die Höhle selbst war der krönende Abschluß. Gehüllt in absolute Finsternis, empfingen uns tausende von der Decke hängende fledermausartige Tierchen, mit widerwärtigem Gestank.
Während es von oben tropfte, watete ich durch knöchelhohe Vampirfäkalie, bemühte mich nicht abermals auszurutschen und war froh über die Frischluft, die mich am Höhlenausgang erwartete. Doch durch Dr. Dolittle kam ich auch mit einigen anderen Tierchen in Berührung. Ein Schlangenstern, der über meinen Arm krabbelte,
eine riesige Coconutcrab,
eine verärgerte Schlange, der ich nicht näher komen wollte, 
sowie eine Schlangenhaut um meinen Hals waren nur eine kleine Geschmacksprobe aus der Togian Dschungelwelt. Ich genoß das Eintauchen in die Natur, hatte aber nach einer Woche genug von dem einsamen Robinsonleben und machte mich auf den Weg zurück in die indonesische “Zivilisation” …

Originalbericht und Fotos: brigitte.de
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