Für viele Urlauber ist Bali der Himmel auf Erden. Für andere ist die Insel das Mallorca Asiens. Wir haben uns vor Ort umgesehen.
Bali! Wann immer man diese zwei Silben ausspricht, produziert man in der Regel einen verklärten Ausdruck im Antlitz seines Gegenübers: Ahh, Bali, das sei ein Paradies, nicht wahr, voll lächelnder Gesichter, puderzuckerweißer Strände, mystischer Tempel, bezaubernder Sonnenuntergänge und graziös modellierter Reisfeldterrassen. Gelegentlich allerdings hört man auch die eine oder andere Stimme, die erklärt, Bali sei inzwischen das Mallorca Asiens, mit allen Konnotationen, die da eben mitschwingen. Oder vielleicht eher das Ibiza Asiens. Wirklich? Wir sehen uns das am besten selbst mal an.
Richtig ist jedenfalls: Auch im Paradies kann es regnen. Die Reisezeit ist mit Bedacht zu wählen. Auch jenseits der offiziellen Regenzeit (November bis April) kann es auf Bali zu mehr oder weniger kurzen, heftigen tropischen Schauern kommen, und ein solcher geht nieder, als uns der Fahrer unseres Hotels in Empfang nimmt. Die ersten Nächte verbringen wir im „Kayana“, einer gehobenen Villenanlage in Seminyak, dem vornehmeren Teil des touristisch inzwischen stark erschlossenen Südens der Insel. Manche Leute bezeichnen Seminyak und das unmittelbar benachbarte Legian als idyllische Flecken, wo sich Gourmetrestaurants, Spas und luxuriöse Resorts harmonisch in die tropisch-spirituelle Kulisse einfügen. Andere sprechen von einem überfüllten Dorf mit viel Verkehr, wo sich ein Laden für gefälschte Burberry-Taschen an den nächsten reiht. Und beides ist irgendwie richtig. Aber diese Parallelwelten haben ja auch ihren Reiz. Das „Kayana“ ist jedenfalls sehr angenehm, mischt Lokalkolorit mit modernem minimalistischem Design, unsere Villa verfügt über einen Privatgarten mit Pavillon und Pool sowie alle Vorzüge der Neuzeit, vom Flachbildschirm bis zum iPod-Dock. Das Personal ist, wie grundsätzlich überall auf Bali, freundlich und zuvorkommend.
Abends essen wir in „Made’s Warung“ in Seminyak, einem seit über 40 Jahren bestehenden Lokal, wo man in touristischer und trotzdem irgendwie authentischer Atmosphäre die heimische Küche Balis kosten kann: Thunfisch im Bananenblatt, zum Beispiel. „Made’s Warung“ („Warung“ ist Indonesisch für Restaurant, Laden oder Imbissbude) ist ganz und gar bodenständig und damit von Auftritt und Atmosphäre her so ziemlich das Gegenteil vom „Ku Dé Ta“, wo wir am nächsten Abend dinieren: ein Beach Club und Restaurant mit Chic und Glitz, eröffnet vor zehn Jahren. Hier kann man einen Cocktail mit Blick auf die Wellen und Surfer nehmen und sich anschließend der hochpreisigen Fusion-Küche widmen, die weltweit für ebendiesen Chic und Glitz steht.
Nach diesem Essen ein weiterer Kontrast: Wir nehmen ein Taxi nach Kuta, in jenen Ort im Süden Balis, wo der Massentourismus in den letzten Dekaden die deutlichsten Spuren hinterlassen hat, oftmals in Person bierseliger Australier vor dem „Hard Rock Cafe“. Der Unterschied zu Mallorca ist allerdings, dass sich in Kuta, wie überall auf Bali, immer noch jede Menge kleine Götterskulpturen, Haustempel und Opfergaben finden, und es ist in der Tat die besondere Spiritualität der Insel, die sie bezaubernd und einzigartig macht, eine ganz eigene Variante des Hinduismus, welche die sichtbare und unsichtbare Welt gleichermaßen respektiert und nichts Aggressives hat – höchstens insofern, als dass das Leben selbst als Auseinandersetzung verstanden wird: eine immerwährende Schlacht zwischen den Dämonen, die im Meer hausen, und den Göttern, welche die Vulkane bewohnen, von denen Bali so imposante Exemplare zu bieten hat.
Unsere nächste Residenz liegt nicht auf einem Vulkan, sondern ebenfalls in Seminyak: Wir ziehen ins „Sayana“, das sich als Beach Resort bezeichnet, und dies zu Recht, allerdings mit zwei Einschränkungen: Der in der Tat hier herrliche Strand von Seminyak, an dem gewaltige Wogen schaumspritzend brechen, liegt zwar unmittelbar vor der Villenanlage und ihrem Restaurant namens „Breeze“, ist aber wegen eines Tempels in der Nachbarschaft an dieser Stelle heilig, also nur zum Angucken, nicht zum Niederlassen. Und zweitens liegen 22 der 46 Villen des „Samaya“-Resorts gar nicht am Meer, sondern eine Golf-Buggy-Fahrt davon entfernt in der sogenannten Royal-Courtyard-Sektion der Anlage. Ansonsten sind die Villen makellos und zum Teil mit riesigem Privatpool.
An unserem ersten Tag im „Sayana“ unternehmen wir, weil es regnerisch ist, eine Taxifahrt nach Denpasar, zum Hauptort der Insel, weniger touristisch, dafür lebhaft, oft scheinbar (oder tatsächlich) chaotisch und bisweilen Asien in seiner roheren Form. Auch das ist Bali. Manche Leute finden das pittoresk, andere finden bergeweise gerupfte Hühner im Kumbasari, dem größten Basar, eher ein bisschen anstrengend, und beides ist irgendwie richtig. Wir selbst gehen anderntags in Seminyak und Umgebung ein bisschen einkaufen. Kunst und Kunstgewerbe kann man überall auf Bali erstehen, hier lohnt es sich oft, ein wenig abseits zu schauen in Geschäften, die nach außen vielleicht nicht so perfekt aussehen, aber dafür meist die besseren Stücke haben.
Wer nicht feilscht, ist selber schuld
Handeln muss man wie wild. Unterwegs konsumieren wir einen geeisten Kaffee, der mir später zum Verhängnis wird (Richie, mein Ehemann, entscheidet sich spontan, ihn doch nicht zu trinken). Bereits beim Abendessen im panasiatischen Restaurant „Chandi in Seminyak“ verspüre ich ein leichtes Unwohlsein in der Magengegend (woran das Restaurant völlig unschuldig ist) und versuche anschließend noch, dem mit einem Gin Tonic in der schicken „Huù“-Bar entgegenzuwirken – aber mir wird schlecht. Deswegen streichen Richie und ich die restlichen Punkte für heute Abend, nämlich die Clubs „Bacio“ und „66“. Die nun folgende Nacht verbringe ich mit einem klassischen „Bali Belly“: Es rumort heftig in meinen Eingeweiden – und das ist noch zurückhaltend ausgedrückt, mehr zu schildern ließ die Redaktion nicht zu.
In diesem leicht angeschlagenen Zustand bringe ich am nächsten Vormittag eine längere Fahrt über die Insel hinter mich, denn wir wechseln Kulisse und Quartier und begeben uns nach Ubud, in jenes Städtchen, das quasi als kulturelles Herz Balis betrachtet wird. Der Ort liegt im Hinterland, näher am Gunung Agung, dem über 3000 Meter hohen aktiven Vulkan. Es gibt viele Kunsthandwerker in Ubud, Kunstmaler und Kunstschnitzer vor allem, die Brauchtumspflege ist lebendig, auch in Form von Tanz, Ritus und Schauspiel; es gibt Museen, Galerien, einen Affenpark und einen botanischen Garten, und wir wohnen im „Uma Ubud“, einer idyllischen Anlage auf drei Hektar am Rande des Städtchens mit Blick auf das Tjampuhan-Tal zwischen Reisfeldterrassen und Banyanbäumen.
Dort beziehen wir einen Terrace Room mit privatem Tropengarten – ganz allgemein sind die Tropen mit all ihrer exuberanten Lebendigkeit hier, trotz Internet und Flatscreen, sehr nahe – so nahe, dass ich alsbald einen brandroten Hitzeausschlag an meinem Körper entdecke, das zweite klassische Bali-Symptom. Wie in dem Nummer-eins-Hit der sozialkritischen australischen Band Redgum aus dem Jahr 1984: „A dose of Bali belly and a tropical rash / I’ve been to Bali too.“
Spirituelle Erfahrungen beim Yoga-Kurs
Am nächsten Tag besuchen wir Pura Tirta Empul, den berühmten Quellentempel. Dann absolvieren wir die erste Yoga-Stunde unseres Lebens, im Open-Air-Yoga-Pavillon des „Uma Ubud“, mit spektakulärem Ausblick in den umgebenden balinesischen Dschungel. Anschließend sage ich zu Richie: „Ich bin überzeugt, dass uns der Yogalehrer mit seinem Mobiltelefon gefilmt hat, als er sagte, wir sollen die Augen schließen. Und zwar für ‚Indonesiens lustigste Heimvideos‘. Weil wir so unglaublich schlecht waren.“
Jedenfalls brauchen wir nach dieser Fülle spiritueller Erfahrung etwas zu essen. Ganz in der Nähe liegt „Naughty Nuri’s Warung“, ein kleines, einfaches, unprätentiöses Lokal. Hier stehen klassische indonesische Gerichte wie Nasigoreng auf der Karte – aber berühmt ist dieser Ort für seine gegrillten Rippchen. Und die Dry Martinis. Beides in der Tat famos. Damit bin ich gestärkt für den Spaziergang durch die Reisfelder am nächsten Morgen, wo sich in glorioser Röte die tropische Sonne erhebt und durch Palmfächer der Bali-Star ruft und ich ein paar der größten Spinnen meines bisherigen Lebens in irgendeinem Monsterbaum hängen sehe, über die unser Guide sagt: „Das sind noch Babys.“ Wir sind eben im Dschungel.
I’ve been to Bali too.
Die Reise wurde unterstützt von Bawa Tours.
Originalbericht: welt.de